Weihnachten von Onkel Hotte

Denkt Euch, ich habe das Christkind gesehen,

ich hab´s überfahren, es war ein Versehen.

Ich hatte gerade die Äuglein zu,

ich schlief beim Fahren in himmlischer Ruh.

Da hat das Christkind in dieser eisigen Nacht,

Bekanntschaft mit meinem Kühler gemacht.

Später sah ich den Weihnachtsmann,

er trieb gerade seine Rentiere an.

Ich überholte den langsamen Wicht,

doch sah ich dabei den Gegenverkehr nicht.

Ich wich ihm aus, doch leider nicht Santa,

ein kurzes Rumsen, und er klebte am Manta.

Am Ende traf ich den Nikolaus,

erkam gerade aus dem Freudenhaus.

Er kam ganz hektisch über die Straße gelaufen,

wollte am Automaten neue Präser sich kaufen.

Mich und mein Auto hat er wohl nicht gesehen,

jedenfalls blieben nur seine Stiefel noch stehen.

Und die Moral von dem Gedicht:

fahr´ zu schnell mit Deinem Auto nicht!

Denn als ich zu Haus war, da musste ich heulen,

mein schöner Wagen, der hatte drei Beulen!

 

Vom Weihnachtsmann,

vom Christkind

und Nikolaus,

Weihnachten im nächsten Jahr fällt dann ja wohl aus....

Mien lester Wacholder.

Irk gleuwe, et was Silvester 1974 / 75, und vie fieren bie Heinemann´s op derm Warbollen. Et gaffe ain groutes Rühenweltern. Un bu dat dann sou Moude es, gangen vie tüsche niergen und tiern Uhr owens dan dör Warbollen, um dat olle Jooh aftesingen. An jeder Huusdör gaffet ain Schnaps, walleis ouk twei. Termleke taulest kamen vie bie Ludwig Glingener an de Döör. Vör die Jüngeren: dat was dei Oppa von Herbert und Dieter Stuff. Oppa Ludwig makere orpen, und vie gängen in dei Kürke. Vie songen use Lied, Oppa Ludwig gang tam Kürkenscharp und horlere ne Pulle Wacholder dorute. Hei schurre mie einen ut. Irk sache Proust Niggejohr und drank. Tau Silvester harre Oppa Ludwig termlek guhet gestorket, sou was dei Kürke und ouk de Wacholder ut derm Scharp wahne wahme. Blaut ess kolt tierge dürsen Wacholder. Hei gang mie twärs raffe, und do buten moche irk ais mool ant Auwer. Dürse Wacholder op derm Warbollen was de leste, dern irk gedrunken häwe. Büs vandage.


Für die Leser, die nicht so gut Fremdsprachen können, eine Übersetzung:

Mein letzter Wacholder.
Ich glaube, es war zu Silvester 1974 / 75 und wir feierten bei Heinemanns auf dem Warbollen. Es ging ziemlich hoch her. Und wie das dann so Mode ist, gingen wir zwischen neun und zehn Uhr abends durch Warbollen, um das alte Jahr abzusingen. An jeder Haustür gab es einen Schnaps, manchmal auch zwei. Ziemlich zuletzt kamen wir bei Ludwig Glingener an die Tür. Für die Jüngeren: das war der Opa von Herbert und Dieter Stuff. Opa Ludwig machte auf, und wir gingen in die Küche. Wir sangen unser Lied, Opa Ludwig ging zum Küchenschrank und holte eine Flasche Wacholder heraus. Er schüttete mir einen aus. Ich sagte Prost Neujahr und trank. Zu Silvester hatte Opa Ludwig ziemlich gut geheizt, so waren die Küche und auch der Wacholder aus dem Schrank sehr warm. Blut ist kalt gegen diesen Wacholder. Er ging mir quer runter, und draußen musste ich erst einmal ans Ufer. Dieser Wacholder auf dem Warbollen war der letzte, den ich getrunken habe. Bis heute.

Autor: Klaus Hoitz, Mönchengladbach (Kaka)

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Nicht unterkriegen lassen ...

Den ollen August Fuchs hatte es schlimm erwischt. Schon mehrere Tage lang lag er krank im Bett, wollte nicht aufstehen und die Familie begann sich Sorgen zu machen. In seinem hohen Alter war es nun mal kein gutes Zeichen, wenn jemand nicht mehr aufstehen wollte und vor allem, wenn die geliebte Piepe nicht mehr schmeckte. Als er dann nach gut einer Woche doch wieder in der Küche auftauchte, schöpfte auch Schwiegertochter Emma wieder Hoffnung. Und konnte es nicht so recht glauben, als ihr Opa August mitteilte, dass er jetzt erst mal zu Fuß nach Herscheid gehen wolle! Förster Ferdi, der als einer der wenigen in der Nachbarschaft schon ein Auto hatte und der zum Milchholen gerade bei Emma Fuchs in der Küche war, meinte: "Nee, August, das lass mal sein. Ich fahre gleich sowieso nach Herscheid. Warte noch ein, zwei Stunden - dann kannst Du mit mir fahren." Worauf August entsetzt erwiderte: "Dat dau ieck öwwer nitt, dann geraht ieck joo gaaz van de Bejne!!" (Übersetzung aus dem Platt: Das tue ich aber nicht, dann gerate ich ja ganz von den Beinen!) Ja, so war er - nicht unterkriegen lassen!

Siegfried Schröder

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Wie grün sind deine Blätter ...

Seit Tagen lag Klärchen ihrem Richard in den Ohren: Weihnachten ist nicht mehr weit und immer war noch kein Weihnachtsbaum im Haus! Endlich am Heiligen Abend machte sich Richard mit der Beile auf den Weg, einen Strick für den Transport in der einen Jackentasche und in der anderen einen Flachmann, denn es herrschte ja eisiger Frost an diesen Weihnachtstagen Anfang der sechziger Jahre. Und außerdem war Richards Tannenschonung mit Bäumen in Zimmerhöhe fast zwei Kilometer von Warbollen entfernt: irgendwo an der Höh vorbei Richtung Wiehardt.

In der Schonung angekommen, fand Richard dann auch schnell ein schönes Baum-Exemplar mit der richtigen Höhe für das weniger als zwei Meter hohe, oder besser gesagt niedrige, Wohnzimmer, in dem Klärchen und er nun schon seit Jahrzehnten das Weihnachtsfest feierten. Dann ging es ruckzuck: Richard war manchmal ein Freund schneller Entschlüsse und Taten. Ein Schluck aus dem Flachmann, vier kräftige Beilhiebe, den Strick um den Stamm des gefällten Bäumchens gebunden und die Heimreise konnte losgehen.

Als Richard auf halbem Wege in der Höh vorbeikam und dort vor dem Haus stehenblieb und noch einmal zur Stärkung einen Schluck aus dem Flachmann nahm - es war immer noch eisig kalt und ein Kilometer Weg, fast immer bergauf, lag ja noch vor ihm - ja, da saß da ein kleiner Junge hinter dem Fenster und beobachtete, was da vor sich ging. Viel gab es normalerweise an Wintertagen nicht zu sehen aus diesem Fenster. Da war der Onkel Richard vom Warbollen, der einen Tannenbaum wie einen Schlitten am Strick über den hartgefrorenen holprigen Boden hinter sich her zog, schon etwas besonders. Wie gesagt, der Junge war noch klein. Aber dass der Baum an der unteren Seite vom schleppen nicht mehr so viele Nadeln hatte, dass fiel ihm auf und daran kann er sich heute noch erinnern.

Jedenfalls, die restlichen Nadeln werden auf dem restlichen Stück Weges dann wohl auch draufgegangen sein. Obwohl Klärchen ungewöhnliche Dinge von ihrem Richard gewohnt war, soll es ihr für einen ganz kleinen Moment die Sprache verschlagen haben. "Richard, watt härse denn doh für nen Chrissbuum meddebracht? Den konnt vie doch sou nitt in uhse Stuhbe daun. Dei härt op de ejnen Siet ja kejne Naadeln mäh!" Doch Richard war nicht geneigt, noch einmal mit der Beile Richtung Wiehardt zu gehen. "Doch, Klärchen, den nähmt vie nuh. Sou passet de Chrissbuum ouk bäirter anne Wand und bruuket nit so vijel Stiehe!"

Ob bei Klärchen und Richard an diesem Weihnachten das "O Tannenbaum, wie grün sind deine Blätter .... " so laut wie in den Vorjahren gesungen wurde, daran können sich auch die Nachbarn vom Warbollen nicht mehr erinnern.

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Übersetzung des Dialoges in Platt: "Richard, was hast Du denn da für einen Weihnachtsbaum mitgebracht? Den können wir doch so nicht in unsere Stube stellen. Der hat ja auf der einen Seite keine Nadeln mehr!" - "Doch, Klärchen, den nehmen wir jetzt. So passt der Weihnachtsbaum auch besser an die Wand und braucht nicht so viel Platz!"

Siegfried Schröder

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Übersinnliche Fähigkeiten?

Dort erfuhr man immer das Neueste, an der Milchrampe in Warbollen. Es war eine Art Lokalzeitung ohne Papier. Hier trafen sich bis vor zwei Jahrzehnten an jedem zweiten Tag Vertreter aus jedem Haus, in dem es noch Milchvieh gab. Und das waren einige im kleinen Warbollen. Die Familien Fuchs, Heinemann und Stuff klapperten ihr weißes, flüssiges Kapital für den Verkauf an die Molkerei in ihren 20-Liter-Kannen zum Sammelpunkt. Und Gustav Budde kam lange mit seiner Milchkanne - auch wenn sie nicht immer voll war bei ein oder zwei Kühen. Die Landwirtschaft war eben Nebenerwerb. Oder war's für´s Taschengeld? Über Milchquoten machte man sich jedenfalls noch keine Gedanken.

So stand man dann an der Milchrampe und wartete. Das heißt, die Rampe gab´s schon seit Jahren nicht mehr. Sie hatte einmal existiert, jetzt hieß nur noch der Treffpunkt so. Früher wurden die vollen Milchkannen auf die Rampe gestellt, das Auto der Molkerei nahm sie mit nach Lüdenscheid, und bei der nächsten Tour wurden sie leer wieder zurückgebracht. Aus dieser Zeit hatte jede der Kannen eine Nummer, damit die Molkerei auch wußte, welche Milch für welchen Bauern abgerechnet werden mußte. Irgendwann rationalisierte die Molkerei und rüstete ihre Autos mit Absauganlagen aus, die die Milch gleich aus den 20-Liter-Kannen mit den roten Nummern in den riesigen Tank saugte.

Und auf dieses Auto wartete man. Das dauerte dann schon hin und wieder ein Weilchen. Und gemeinsames Warten ist ja kommunikativ, das wurde da auch praktiziert - und so wurde erzählt. Lokalzeitung halt. Zu den Aufgaben von Landwirtsgattin Anni (aus Warbollen Nummer 1) gehörte auch häufig, die Handkarre mit den Milchkannen (rote Nummer 1074) die Straße hinunter zur nicht mehr vorhandenen Milchrampe zu befördern. Glücklicherweise ging es für sie ja zunächst bergab und auf dem Rückweg bergauf. Aber dann waren die Kannen ja leer und leicht. Beim Erzählen hatte Anni mit einem Handicap zu kämpfen: sie hörte schlecht - das war auch erblich bedingt. Verständlicherweise wollte sie ja auch wie alle anderen immer die Neuigkeiten erfahren, um die es gerade ging. Die wichtigen und auch die interessanten, um den Klatsch und Tratsch mal so zu nennen. Da kannten wir dann alle Annis nachfragendes "Häh???" sehr gut, und die rechte Oberlippe, die sie dabei ein Stückchen weiter nach oben zog als die linke, wenn sie wieder einmal nicht verstanden hatte, dass Gerda (rote Kannennummer 1073) dem Willi (rote Kannennummer 1072), der einen Meter neben ihr stand, von drohendem Regen oder anstehenden Polterabenden erzählt hatte.

Auch wenn der Hörsinn beeinträchtigt war, oder es zumindest nach vielen fragenden "Häh´s??" so schien: Anni hatte eine einmalige Fähigkeit, mit der sie jahrelang alle anderen überraschte. Der Milchwagen der Molkerei kam aus Richtung Wellin. Und wenn er dort, immerhin noch einen Kilometer von Warbollen entfernt, losfuhr, rief Anni aus "Jetzt kommt er!" und sie rückte ihre Kannen mit der Nummer 1074 in Position. Alle anderen hörten das nahende Gefährt frühestens, nachdem es etwas später beim Rohland die Kannen mit der Nummer 1077 leergesaugt hatte und wieder anfuhr. Aber wir waren dank Annis Fähigkeiten ja bereits im Bilde. War es ein ganz spezieller Hörsinn? Oder ihr feiner Spürsinn? Oder waren gar übersinnliche Fähigkeiten im Spiel?

Wir werden es nicht mehr erfahren. Annis Begabung, ein ganz bestimmtes Fahrzeug auf einen Kilometer Entfernung trotz Schwerhörigkeit am Klang zu erkennen, war etwas besonderes - viele Jahre, bevor "Wetten, dass..." erfunden wurde. Aber eines schwöre ich Dir, lieber Leser: Anni hatte mit ihrem "Jetzt kommt er!" wirklich immer Recht!

(Siegfried Schröder, rote Kannennummer 1079)

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